08.03.18

Die mit dem Schaf laufen – #RunLikeAMerino

Wenn jemand eine Reise tut - dann kann er was erzählen;-) Dies hat Ludger nun schön des öfteren bewiesen. Bei seinem diesjährigen Neuseeland-Aufenthalt gab es nun noch das ultimative Trailer-Abenteuer. Etwas, was selbst bei mir den blanken Neid hervorruft. Ich habe es bei zwei Reisen nach NZL noch nicht einmal geschafft an einem Laufevent teilzunehmen. Ludger ist bereits zum zweiten Mal Down-Under "offiziell" unterwegs und hat diesmal ganz persönliche Cross-Country Erlebnisse gesammelt;-)









Wir haben auf der Südinsel Neuseelands einen „Überraschungslauf“ hinter uns. Warum „Überraschung“ und ‚Lauf‘ im Schriftbild hervorgehoben sind – nun – das lest ihr hier: Neuseeland = Laufland Neuseeland, das Land der Kiwis, Kiwis, Kiwis (Vögel, Früchte, Menschen – warum so viele verschiedene Worte wenn es auch eins tut?), der Drehorte der Trilogien „Der Hobbit“ und „Herr der Ringe“ aber auch des Films „Das Piano“, das Land des Rugbys und des Haka (Kriegstanz) und nicht zuletzt das Land der Schafe. Dieses Land hat uns gefesselt. Es ist nicht für Wanderungen durch exotische Baumfarnwälder oder über schroffe Vulkanlandschaften geschaffen (wie z.B: der Tongarino Crossing – Jörg berichtete), Neuseeland bietet erstklassige Strecken für Langstreckenläufer: Wenig Verkehr, keine streunenden Hunde, abwechslungsreiche Landschaften. 
Schon letztes Jahr besuchten wir u.a. daher die Nordinsel und absolvierten dort einen Halbmarathon. Den sogenannte „Around the Bays“ in Wellington stellten wir uns schön vor: Entlang der Bucht von Wellington auf gepflegten Straßen locker am Meer entlang. Ein schöner, lockerer Kurs? 

 
(Bild: © Cinga-round-the-bays 2017)


 
Wer Neuseeland kennt weiß, dass das nur falsch sein kann. Denn die Inseln sind geologisch so jung, dass es nur an wenigen Stellen Strandpassagen gibt. So absolvierten wir überaschenderweise viele Höhenmeter. Wenn man sich dann noch vorher belesen hätte, wüsste man, dass „man in Wellington geboren sein muss, um den vielen Wind auszuhalten“ – so belehrte uns später ein Kiwi (Bedeutung hier: Mensch). Es wurden in Summe ein mit vielen gespickter Höhenmetern und vor allem anstrengender weil gegen den Wind anrennender Halbmarathon, an dessen Ende wir irgendwie glücklich aber auch eben am Ende waren. Wir hätten also gewarnt sein sollen!



Die Vorbereitungen zum “Shotover Moonlight” Half Marathon nahe Queenstown, NZ, Südinsel Wir sind vorgewarnt. Als wir die diesjährige Reise nach Neuseeland planten, es sollte dieses Mal die Südinsel sein, suchten und fanden wir ein passendes Laufevent. Zunächst konnten wir uns nicht, aber wirklich nichts unter einem Shotover Moonlight Marathon vorstellen. Die Webseite www.shotovermoonlight.co.nz  bietet einige Informationen, die folgendes hergaben: Hauptevent ist der Shotover Moonlight Marathon, 41,195km (nicht vermessen), Punkt-zu-Punkt. Weitere Wettbewerbe sind ein 30km Lauf, ebenfalls Punkt-zu-Punkt sowie die Rundkurse der Disziplinen Halbmarathon, 10km und 5km. Das Gelände liegt nahe Queenstown, nordwestlich am Moke Lake – wo immer das auch ist (siehe Karten):




Als weitere Informationen fanden wir im Wesentlichen Hinweise für die beiden Punkt-zu-Punkt Läufe. Denn es gibt dort hinter dem See nahezu keine weiteren Straßen mehr. Der Transport für Marathon und 30km Lauf erfolgt im Helikopter. Über Umwege kann man auch mit dem Bus zum Startpunkt nördlich des Sees gefahren werden. Wir wollten „nur“ den Halbmarathon laufen. Die Internetseite zeigt sich kurz angebunden. Nach den Wellington Erfahrungen (nichts ist hier eben, flach) waren wir ja gewarnt. Den HM findet man selbst auf den einschlägigen Seiten nicht als GPS Datei. Lediglich ein Screenshot des Strecke ist zu sehen und der folgende Satz: „After a number of low water creek crossings following a rough farm road is the main challenge of the event – a steady climb of 260m to take you high above the Moke and Moonlight Creeks.” (Quelle: 
www.shotovermoonlight.co.nz/races/half-marathon). Na dann geht’s doch. Ein paarmal durchs Wasser waten, dann ein Anstieg von 260 m, es gibt ja schlimmeres (siehe oben). 
Also: Anmelden, das sehr coole T-Shirt mit dem sehr coolen Logo nicht vergessen mitzubestellen und schon geht es los. 

Entlang der Bäche „Moonlight Creek“ und „Moke Creek“ mit einem 260m Höhenanstieg. Kein Problem. (Quelle: www.shotovermoonlight.co.nz)

Was für ein Logo! Renne wie ein Merino-Schaf. Scharf. Das Logo ist auch auf dem Baumwoll-Shirt. Nein, keine leider Funktionsschafswolle.
(Foto: Ludger Schneider-Störmann)

Der Verdacht: Hier stimmt was nicht mit den Angaben!?
Das Logo hätte schon stutzig machen müssen. So richtig locker sieht das Merino Schaf dann doch nicht aus. Gut, 260 Höhenmeter, aber was soll‘s. Gebucht, gepackt, geflogen, geirrt. 


Mit angestrengtem Blick: Das sagt doch was über den Lauf aus, oder? (Foto: Ludger Schneider-Störmann)


So kam uns der Verdacht, dass die Internetseite den Insidern alles, den Gelegenheitsbesuchern eher wenig mitteilt. Wir waren gespannt, hatten am Wochenende vor dem Lauf einen Trainingslauf mit 500 Höhenmetern bei 20km Länge gut überstanden. Was kann da schon passieren? 

Die Offenbarung: Teil 1 
Wir reisten in Neuseeland und näherten uns Queenstown. Für Nachahmer die Empfehlung, rechtzeitig zu buchen: Chinese New Year sorgt für eine Flut an chinesischen Touristen, die neben Fun-Sportarten-begeisterten jungen Deutschen in Queenstown dafür sorgen, dass wochenlang vorher alles ausgebucht ist. Queenstown is Mekka für Bungee Jumper (über 100 m), Fallschirmspringer (Der arme Amerikaner, der im Januar 2018 in den Lake Wakatipu bei Queenstown gefallen ist, ist tatsächlich und bedauerlicherweise ertrunken und nicht wieder aufgetaucht) und Paraglider (Ein Paragliding-Trainer ist Februar 2018 schwer verunglückt, als der Wind ihn bei der Landung gegen ein Gebäude trieb). Wir 
bleiben beim Laufen. 

Alternative Unterkunft bietet ein Campingplatz: Start und Ziel des Helikopters und der Rundkurse liegen am Campingplatz des Moke Lakes. Locker geht es bei der Ausgabe der Shirts und der Startnummern zu. 30km und MarathonläuferInnen 
müssen sich einem Gear-Check unterziehen, denn entlang der beiden Strecken gibt es zunächst nichts zu trinken. Wir haben und leichte Silikontrinkbecher gekauft, denn der Lauf ist „Becherfrei“, was bedeutet, dass man seinen eigenen Becher mitführen muss. Wir haben neben zwei Trinkflaschen am 
Laufgurt also zusätzlich die Becher (ca. 15€/Stück!) mitgenommen. 
Ich fragte einen der Organisatoren, wo das Höhenprofil zu finden ist. Wer meinen Boston Blog gelesen hat weiß, dass ich gerne vorher weiß, was da auf mich zukommt. Antwort: Oh, vor wenigen Tagen haben wir das auf Facebook eingestellt. Aha. Danke. Also Smartphone raus und in Facebook 
den shotovermoonlight suchen


Okay, nicht 260 sondern locker das Dreifache an Höhenmetern ist zu bewältigen. Man lernt nie aus.

Der Halbmarathon Shotovermoonlight oder die Offenbarung: Teil 2 
Der Wetterbericht sah vor, dass es in den Morgenstunden etwas regnen soll, dann ab 8 Uhr aufklaren und Sonnenschein. Prinzipiell stimmt das auch. Allerdings herrschten morgens orkanartige Böen, Die Vorläufer eines Zyklons eilten heran. Das sorgte dafür, dass die Marathonis und die 30km-
TrailerInnen nicht so früh loskamen wie geplant. 


Trübe Aussichten um 9:00 Uhr am Moke-Lake. Die Sonne verspätet sich (Foto: Ludger Schneider-Störmann)
Die übliche Marathonmesse am Start eher übersichtlich;-) (Foto: Ludger Schneider-Störmann)

Die Spannung steigt, die Temperaturen endlich auch und der Wind lässt nach. Kurz vor dem Start des Halbmarathons. (Foto: Ludger Schneider-Störmann)

Wir waren verwundert über einige StarterInnen, die mit Wanderstöcken ausgerüstet auf die Strecke gingen. Um Verletzungen zu vermeiden, wurden sie ans Ende der ca. 146 Personen starken Startgruppe verwiesen. 

Womit auch zu rechnen ist… Trail run durch ein Gebiet mit Tieren, davon 7.000 Merinos (Foto: Ludger Schneider-Störmann)

Schon nach wenigen Metern deutete sich die zweite Offenbarung an: Eine Querung des Moke Creeks mithilfe einer Holzplanke, recht wackelig. Einige km später dann kamen die „paar Querungen des Baches Moonlight Lake“. Da es in den vergangenen Tagen wenig Moonlight aber umso mehr Regen gab, war der Bach deutlich angeschwollen. Kneipp-Bad inklusive. Als Vollblut-Zahlenmensch zählte ich mit. Und tatsächlich summierten sich die erfrischenden und auf Gebrigsbachtemperatur befindlichen Kneippbäder auf ein gutes Dutzend. Die Schuhe wurden nicht nur des Wassers wegen schwerer. 



Eine der „wenigen“ Überquerungen. (Foto: Ludger Schneider-Störmann)


Nach einigen Kilometern kam dann der 260m Anstieg „für den ihr uns wahrscheinlich alle hassen werdet“, so war er vor dem Start vom „Motivator“ angekündigt worden. Und wegen dieses Anstiegs und noch einiger weiteren Abstiege und Hügel ist „Lauf“ oben kursiv geschrieben: Die Mehrzahl der 
LäuferInnen ging oder kroch die Passagen hoch bzw. runter!

„Walk-don’t run“ ist hier das Motto. (Foto: Ludger Schneider-Störmann)

Nun wurde uns klar, was diesen Lauf so schwer macht. Die großen Steigungen und das Gelände, welches zum Teil sehr unwegsam und auf schmalen Merino-Pfaden entlangging. Aber wir wurden belohnt: 


Fantastischer Ausblick auf Moonlight Creek und das Tal. (Foto: Ludger Schneider-Störmann)

Die wenigen aber ausreichenden Stationen waren alle auf „Gipfeln“, sodass man sich gut erholen und auch stärken konnte. Neben Wasser wurden auch isotonische Getränke gereicht, es gab Melonen und Äpfel. Auch Sonnencreme, die mittlerweile notwendig war, gab es. Jede Läuferin, jeder Läufer wurde 
anhand der Startnummer registriert. Denn alle sollten ins Ziel kommen bzw. genbracht werden. Daher war eine Startauflage, den Laufchip auf jeden Fall und unbedingt wieder mit ins Ziel zu bringen. 


Essenschlacht am Gipfel: Das Moonlight-Melonen-Massaker. (Foto: Ludger Schneider-Störmann)
 
Gut behütet: Am Checkpoint wurden alle registriert, verlorengegangen „Schafe“ wären gesucht worden. (Foto Ludger Schneider-Störmann)
 
Nach dem letzten Checkpoint ging es nochmal einen kleinen Hügel hinauf, dann wieder runter zum Bach. Dort folgten weitere „Wasserwanderungen“. Mitunter waren wir knietief im Wasser. Insgesamt haben wir über 30 solche Querungen gemacht. Nun, unter „a number of“ kann man mit gutem Willen auch gerne mal 30 meinen. Jedenfalls waren die Abkühlungen der Beine „mit drin“ und es lief sich 
tatsächlich leichter. Bevor das Ziel erreicht war, kam noch ein Tunnel, der gut und gerne zu Ringzeiten von Zwergen gemacht worden sein konnte: Der ca. 20 Meter lange Felsdurchbruch hatte eine lediglich fußbreite Spur, in der man sich im Gänsemarsch hindurchtasten konnte. Das hat man auch nicht alle Tage. 


Hinein in die Höhle von Moria. (Foto: Ludger Schneider-Störmann)

Was folgte (nach Flussdurchwatungen) waren die letzten 5km, die noch mal einen leichten Anstieg von etwa 100 Höhenmetern hatten. Diese Strapazen steckten vielen, zumeist jüngeren Läufern in den Waden. Unsere Marathonerfahrung zahlte sich aus und so überholten wir zu unserer Überraschung etliche LäuferInnen. Aber die Hauptsache war und ist: Alle, wirklich alle sind ins Ziel gekommen. Niemand übernachtete bei den Merinos oder blieb im Tunnel stecken. Ein Erfolg auch für die tollen Organisatoren. Was für eine gelungene Challenge. Wir waren mehrfach überrascht. Es war unser erster echter Cross-Lauf. Und dann direkt ein Halbmarathon mit 30 eiskalten Flussdurchquerungen und 850 Höhenmetern im unwegsamen Gelände. 
Ein Fest für die Waden und eine große Freude für uns. Wir sind von diesem Lauf wirklich begeistert. Weitere Belohnungen gab es schließlich im Ziel: Eine Massage, ein riesiges Eis und für alle LäuferInnen: Ein wohl verdientes Shotover-Moonlight-Bier.


Ja, das tut gut: Ein Energietrank à la Merino-Shotover-Moonlight-Bier am Ziel bei sommerlichen Wetter. (Foto: Wiebke Störmann)

Bis bald



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen