10.02.17

Marathon I Wenn der Mann mit dem Hammer wartet!

Jahr für Jahr begeben sich tausende von ambitionierten Läufer(innen) auf die 42,2 km Strecke und wollen den Mythos Marathon erleben! Nicht selten erleben sie jedoch, in der zweiten Hälfte des Marathon, dass dieses Ziel allein mit der Euphorie des Tages nicht zu erreichen ist! Der sogenannte "Mann mit dem Hammer" (engl. "hit the wall") erwartet so manchen Läufer jenseits der 25/30km Marke - die Stelle an der die Anstrengung von "ganz schön Hart" zu "richtig Hart" wechselt! Wer in diese Situation gerät findet sich schnell in einer Falle zwischen völliger Erschöpfung und zunehmender Verzweiflung, was dazu führt, dass alle Motivation "über Bord" geworfen wird. Dies kann jedoch verhindert werden, wenn Läufer darauf achten, dass Sie in der Vorbereitung, bei der Ernährung und Rennstrategie einen genauen Plan verfolgen und Ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend angepasst laufen! Dieser Post erläutert neben der Grundlage für Ausdauertraining die physiologischen Ursachen für den "Mann mit dem Hammer"!

 



Wochenlanges Training liegen hinter einem und die langen Trainingsläufe (28 -30km) wurden absolviert. Der letzte lange Lauf als Generalprobe war perfekt und am Renntag steht man voller Vorfreude an der Startlinie und lässt sich durch die Stimmung "der Masse" inspirieren. Das riesige Läuferfeld setzt sich in Bewegung und bei "fetziger" Musik und der Anfeuerung der Zuschauer geht es auf die Strecke. In diesem Moment der Euphorie vergisst mancher seinen sorgfältig definierten Tempoplan für das Rennen! Sollte man nicht besser das geplante Tempo von z.b. 6:30/km laufen oder könnte man nicht auch mit einer Pace von <6:15/km beginnen?

Bildquelle: Internet

Die "Soll-Tempo-Vorgabe" wäre zu Beginn des Rennens die bessere Entscheidung da man sich auf dieses Tempo in wochenlangen Training vorbereitet hat. Trotzdem ist die Vernunft nicht selten das "erste Opfer" des Tages! Nach der ausreichenden Ruhe der Tapering-Woche(n) fühlt sich alles so leicht an. "Es sind ja nur 15-20Sek./km". Falsch - jeder Kilometer der im zu hohen Tempo gelaufen wird, lässt das Risiko des Leistungseinbruch in der zweiten Hälfte des Wettbewerbs ansteigen, denn nach rund 30 Kilometern sind die gespeicherten Kohlenhydrate der meisten Marathonläufer aufgebraucht und der Körper holt sich Energie über die Verbrennung von gespeicherten Fett. Das kostet jedoch viel Sauerstoff und Energie und führt zu einem Leistungseinbruch, den Ausdauersportler als „Mann mit dem Hammer“  bezeichnen. 

Nichts läuft mehr - Er geht noch!  Bildquelle: Internet

Um besser zu verstehen, warum man ein langwieriges Aufbautraining in der Marathonvorbereitung & einen genauen Rennplan benötigt, muss man sich genauer mit der Energie-Bereitstellung in unserem Körper beschäftigen. Es sind verschiedene komplizierte Abläufe in unserem Körper, die am Ende dazu führen, dass plötzlich "nichts mehr läuft". Die Folge ist ein rascher Leistungseinbruch, der das weiterlaufen so ungemein anstrengend werden lässt! Erschwerend kommt hinzu, dass der Energiemangel unserem Willen schadet! In unserem  Körper wird die zur Verfügung stehende Energie je nach Bedarf "sinnvoll verteilt". Sobald eine Energieknappheit entsteht, wird das Gehirn auf "Sparflamme gesetzt", unsere Muskulatur jedoch weiter beliefert. Da die Laufkoordination keine so hohe mentale Fähigkeit darstellt, ist unser Gehirn weiter in der Lage, die Kontrolle zu bewahren, während unsere Muskulatur das notwendige ATP verbrennt! Hier grüßt das Erbe des "Neandertalers in uns, denn bei Gefahr mussten wir immer noch genügend Energie für die Flucht bereitstellen können! "Dumm gelaufen" - denn in dem Moment, wo die Energiedepots vollständig erschöpft sind, und wir unsere mentale Stärke am meisten benötigen würden, läuft unser Gehirn im "Energiesparmodus":-(

Unbegrenzte Ressource!?
Das Ziel eines aufbauenden Trainingsprogramm ist der permanente Ausbau der Energiedepots, damit ein frühzeitiger Leistungseinbruch & mentale Schwächung verhindert werden kann!

Riesiges Energiepotential durch Training nutzbar machen!
Unser Körper nutzt während sportlicher Aktivitäten zwei wesentliche Quellen zur Energiebereitstellung: Fette & Kohlenhydrate! Fette sind eine unbegrenzte Ressource zur Energiebereitstellung mit dem entscheidenden Nachteil, dass die Energie nur sehr langsam bereitgestellt wird. Deshalb sind Kohlenhydrate im Wettkampf die wichtigste Energiequelle. Je schneller man läuft, umso stärker wird diese Energiequelle genutzt! Und da kommt nun das zweite Problem hinzu. Unser Körper kann Kohlenhydrate nicht unbegrenzt speichern:-( Wenn man am Tag vor dem Rennen genügend Kohlenhydrate aufgenommen hat um die (durch das Training erweiterten) Depots randvoll zu füllen, hat man ausreichend viel Energie um ca. 90min. Muskelleistung im Halbmarathontempo bzw. 2 Stunden im Marathontraining auf die Strecke zu bringen. Danach werden die Speicher immer leerer! 

Energiespeicher Glykogen
Grundstoffe zur Energiegewinnung sind also Kohlehydrate (in Form des Glykogens), Fett und in Ausnahmefällen Eiweiß. Der Glykogenspeicher des menschlichen Körpers bezeichnet die in Form von Glykogen gespeicherten Kohlenhydrate bzw. Glukosemoleküle aus der Nahrung. Im Ausdauersport, ist aus den genannten Gründen der Glykogenspeicher von besonderer Bedeutung. Energienachschub in Form von ATP, der für die Bewegung nötig ist, kann entweder durch den Abbau von Kohlenhydraten (in der Glycolyse)  oder durch den Abbau von Fetten (Lipolyse) synthetisiert werden. Energiegewinnung aus körpereigenen Eiweißen (Proteine) ist selten und im Sport eher kontraproduktiv!  Die Kohlenhydrate, als  die primären und schnellsten Energielieferanten eines Ausdauersportlers können als Energiereserven im Körper jedoch in Form des Glykogen in der Leber und in den Muskeln gespeichert werden. Die verschiedenen Speicherstätten im Körper übernehmen dabei unterschiedliche Versorgungsaufgaben:


Leberglykogen - Aufrechterhaltung des Blutzuckerspiegels, Versorgung des Gehirns, der roten Blutkörperchen und Nervenzellen 

Muskelglykogen - Resynthese des „Zelltreibstoffs“ ATP, Muskelkontraktion.

Das gespeicherte Glykogen befindet sich, je nach Muskelmasse, zu 1/3 in der Leber und zu 2/3 in der Muskulatur.  

Die Fettdepots des Körpers sind zwar wesentlich umfassender, jedoch auch schwerer als verfügbare Energie bereitzustellen. Trotzdem ist man bei Ausdauersport gezwungen, neben den Glykogendepots auch die gespeicherten Fette zur Energiegewinnung heranzuziehen, um den begrenzten Glykogen-Speicher zu schonen. Der Körper muss also von Anfang an auf einen Anteil Energiegewinnung aus Fetten "setzen" um lange genug seine Glykogenreserven zu erhalten. Bei gut trainierten Sportlern nimmt der Energieanteil der Fett, zu Beginn des Rennens, ca. 25% an! Die Vorbereitung auf die Ausnahmebelastung geschieht durch die langen langsamen Trainingsläufe die den Körper vorsichtig an die Belastung heranführen und sinnvoll den Fettstoffwechsel trainieren. 

Bildquelle: Internet

"Hammer-Mann-Leistungseinbruch"
Startet ein Läufer ungenügend vorbereitet und / oder mit zu forschem Anfangstempo einen Marathon, so ist der Anteil der Fettverbrennung am Anfang tiefer. Die Kohlenhydrat-Reserven schwinden schneller, weil der größte Teil der Energie durch Verbrennung von Kohlenhydraten gedeckt werden muss. Sind diese Vorräte auf einem sehr tiefen Niveau, muss das Tempo unweigerlich reduziert werden - der "Einbruch" ist da.

Bildquelle:koeln-marathon.de

Wo stammt die Energie her?
Die Energie, welche uns durch die Nahrung zugeführt wird, können wir nicht sofort als Quelle für körperliche Leistungen verwenden. Vielmehr wird  aus der  Energie unserer Nahrung für unseren "Muskelmotor"  eine energiereiche Struktur synthetisiert - das Adenosintriphosphat (ATP). Der ATP-Vorrat im Muskel ist sehr gering. Schätzungsweise lassen sich damit etwa 3-4 maximale Muskelkontraktionen durchführen, was einer Arbeitsdauer von 1-2 s bei starker körperlicher Belastung entspricht. Deshalb muss ATP ständig resynthetisiert werden, damit die intramuskuläre ATP-Konzentration auch bei körperlicher Leistung relativ konstant bleibt.

"Kraftwerke der Zellen" - Mitochondien
In unseren Zellen gibt es Organellen (membranumschloßene Bereiche mit spezieller Funktion) die verschiedene Aufgaben übernehmen. Die Mitochondrien werden oft als "Kraftwerke der Zellen" bezeichnet, weil hier der größte Teil der  Energie aufgebaut und den Körperfunktionen zur Verfügung gestellt wird. Die Energie wird im ATP gespeichert zum Muskel transportiert und durch Abspaltung der dritten Phoshatstelle (aus ATP wird ADP, Adenosindiphosphat) bei der Muskelaktivität verbraucht.




Das ADP, als energieärmeres Molekül wird wieder zu den Mitochondien transportiert und steht nach erneuter Synthese von ATP für den Energietransport zur Verfügung.


Trainingseffekte - Ausbau der Glykogenspeichern  
Ein normaler, untrainierter Mensch verfügt über einen Glykogenspeicher von ungefähr 300 bis 400g Glykogen. Durch Training sind Ausdauersportler in der Lage ein weit größeres Glykogendepot von bis zu 600g aufzubauen. (Quelle: Chemie.de)

Energie zum "Nachtanken" - Bildquelle: theguardian.com


Marathontraining
Im Rahmen des Marathontrainings versucht man, wie erläutert, die Glykogenspeicher zu erweitern und die Ausdauerfähigkeit auszubauen! Durch ein gezieltes Fettstoffwechseltraining soll darüberhinaus die Fähigkeit aufgebaut werden, effektiv die Glykogenspeicher zu schonen. Durch das Ausdauertraining nimmt zusätzlich die Muskelmasse zu und somit auch die Anzahl der Mitochondrien, welche für die Energiebereitstellung von Bedeutung sind.
Während des Wettbewerbs ist es trotz guter Vorbereitung  notwenig kohlenhydratreiche Gele, Riegel etc. aufzunehmen um die Verluste zum Teil auszugleichen.  Die empfohlene Kohlenhydrataufnahme ist  abhängig von der Dauer und Intensität der Belastung im Wettkampf und kann bis zu ca.90g Kohlenhydrate pro Stunde betragen. Vor dem Wettbewerb sollte man  die Produkte jedoch vorab unbedingt testen, ob sie vom Geschmack und/oder der Konsistenz passen und vertragen werden!

Eigene (leidvolle) Erfahrungen mit dem "Hammermann"
Einmal bin ich dem Hammermann mit voller Wucht begegnet.  Beim Marathon in Bonn 2002 wollte ich unbedingt meine Bestzeit aus 2001 (Berlin) von 03:14 Std unterbieten und bin mit dem Ziel die 03:10 Std. zu knacken ins Rennen gegangen. Gegen alle meine bisherigen Vorsätze, dass Rennen ruhig zu  beginnen und später (2te Hälfte) schneller zu  werden, hatte ich mir die notwendige Pace  errechnet und wollte Sie von Beginn an kontinuierlich laufen. Ständig genau auf die notwendigen Zwischenzeiten achtend ging das Ganze etwa  32km gut. 


Der Mann mit dem Hammer I  The dreaded Wall I  Hitting the Wall


Und dann war er da! Bei km 32 waren die Energiedepots leer und ich quälte mich mühsam Kilometer um Kilometer weiter. Immer wieder dachte ich ans aufgeben. Zu Fuß wäre ich schnell  im Zentrum. Stattdessen zog sich die Marathonstrecke in den Bonner Norden. Ich war damals kurz vor dem Aufgeben! Sehr mühsam habe ich mich aus dem "tiefen Loch" herausgezogen. Bei km 38 habe ich einem Zuschauer eine  Cola "abgeschwatzt" und hatte für kurze Zeit "schnell verfügbaren Zucker". Am Ende hat mich ein starker Wille über die Strecke gerettet und ich bin noch in einer guten Zeit von 03:18 Std. im Ziel angekommen! 

Zusammenfassung: Marathontraining & Energiestoffwechsel:
Für das Marathontraining gilt, dass man über einen Zeitraum von 12 Wochen (oder länger) die  Ausdauer ausbaut und der Körper  dadurch durch gezielte Trainingsimpulse auf die Belastungen eines Marathons vorbereitet wird. Dies bedeutet, dass man in diesem Zeitraum die gelaufenen Wochenkilometer und die Streckenlängen kontinuierlich in kleinen Schritten erweitert! Durch die steigende Ausdauerleistung je Woche erhält unser Körper die Impulse, die zu den physiologischen Anpassungen im zellulären Bereich führen. Im Rahmen des allgemeinen Muskelaufbaus nimmt auch die Anzahl der Mitochondrien stetig zu.  Die "Kraftwerke der Zelle" sind für den Aufbau von ATP, dem universellen Energielieferanten im Körper, verantwortlich. Eine wichtige Quelle zur Bildung des ATPs ist das Glykogen. Schlecht trainierte Lang­läufer verfügen über kleinere Glykogenspeicher. Durch intensives Trainings werden große Glykogendepots aufgebaut und ermöglichen uns am Ende der Trainingsphase die gesamte Strecke eines Marathons zu bewältigen! Zudem kann man dadurch auch höhere Belastungsintensitäten besser durch Energie aus dem Fettstoffwechsel abdecken, wodurch die Glykogenreserven geschont werden. 





 
Energie "nachtanken"
Wenn die Energiespeicher leer sind bieten  Energiegele oder ähnliche Produkte eine Möglichkeit die Verluste zum Teil wieder auszugleichen. Während die Hersteller immer von schnell verfügbarer Energie reden, wird von verschiedener Seite darauf hingewiesen, dass die zugeführte Energie nicht sofort zur Verfügung steht. Nach der Aufnahme erfolgt die Verdauung, der Transport durch die Darmwand und die Aufnahme in den Muskel. Deshalb empfehlen Sie , dass man die Energiegele frühzeitig einnehmen sollte. Während der eine Sportler nach wenigen Minuten bereits die Effekte spürt, dauert es beim anderen 15 Minuten oder länger! Da der Zeitpunkt der Aufnahme anscheinend von Sportler zu Sportler verschieden sein kann, sollte jeder einzelne dies bei den langen Trainingsläufen ebenfalls gut austesten. 

"Weckruf"
Interessanterweise scheint,  durch die Aufnahme der Glukose des Energiegels, ein regelrechter  "Weckruf" an das Gehirn zu erfolgen. Durch den hohen Glukoseverbrauch der Muskulatur, wurde das Gehirn auf "Sparflamme" gesetzt. Nun wacht man regelrecht aus einer "mentalen Müdigkeit" auf. Dieser Effekt schafft zwar keine Erhöhung der muskulären Leistung, erzeugt jedoch den Effekt: "Signal ans Gehirn - Energie vorhanden"! Dies hilft über die anstrengende Phase im Rennen hinweg!

Fünf Dinge die den "Mann mit den Hammer" klein aussehen lassen!
Eine Marathonvorbereitung und das Rennen ist ein großes Ziel, bei dem es sehr viel zu beachten gibt. Folgende fünf Dinge sollten jedoch primär erfüllt werden.
  • Ausreichend lange Vorbereitung (12 Wochen oder länger)!
  • Genügend lange Läufe über 25 / 28 / 30km im ruhigen Tempo (siehe Trainingspläne Leistungsgruppe)!
  • Langsamer Start & Tempokontrolle (nicht zu schnell werden)!
  • Ausreichend trinken!
  • Energie zuführen (z.b. Energiegel)

Euch allen wünsche ich das perfekte Rennen und keine "Grenzerfahrungen" mit dem "Hammermann"!

Bis bald

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen